Kritische Blicke auf die Coronakrise und ihre Folgen
Kritische Blicke auf die Coronakrise und ihre Folgen

Kultur und Solidarität

Kultur und Solidarität sind Nahrung für Seele und Körper:

Plädoyer für ein menschenwürdiges Grundeinkommen – oder warum es in dieser globalen Pandemie keine Verlierer geben darf

von Konstantin Wecker

Von Anfang an hat Konstantin Wecker leidenschaftlich für globale Solidarität im Kampf gegen Covid-19 gestritten. Bis heute ist er der festen Überzeugung, dass es in dieser globalen Pandemie keine VerliererInnen geben darf.
Deshalb hat Konstantin Wecker ein aktuelles Plädoyer für ein menschenwürdiges Grundeinkommen und einen sofortigen Mietenstopp geschrieben und aufgenommen:

Die Aufnahme ist unter folgendem Link bei Minute 00:00 bis 05:40 zu finden. Das Plädoyer in Textform folgt weiter unten.

https://www.youtube.com/watch?v=m0tKSBxuu8E&feature=emb_logo

 

5. Dezember 2020

Kultur und Solidarität sind Nahrung für Seele und Körper:
Plädoyer für ein menschenwürdiges Grundeinkommen – oder warum es in dieser globalen Pandemie keine VerliererInnen geben darf

Die Bundesregierung und viele PolitikerInnen halten eine weitere Verschärfung der Maßnahmen für denkbar und notwendig.
So weit, so schlecht. Die Meldungen überschlagen sich, PolitikerInnen sorgen sich, VirologInnen erklären sich.
Um es vorweg noch einmal klar und deutlich zu sagen: ich halte die Covid-19-Pandemie für eine globale Gefahr, ich halte Maskentragen und Hygienekonzepte für sinnvoll, ich demonstriere nicht mit Nazis und Reichsbürgern und ich verachte die verlogene Rhetorik völkischer Demagogen.
Aber mir fällt auf, dass all jene, die uns nun die Freiheit beschneiden wollen – und ja, vielleicht auch müssen – von einer sicheren und gesicherten Warte aus zu uns sprechen, die mittlerweile Millionen von Menschen fast schon absurd entrückt scheinen muss.
Milliarden werden in große Konzerne und ausgewählte Wirtschaftssektoren investiert und nicht in die Menschen. Viele müssen in überfüllten U-Bahnen und Zügen zur Arbeit fahren, wo die Hygienekonzepte weitaus mangelhafter sind wie in vielen Museen oder Konzertsälen.
Wer sich heute Sorgen machen muss, ob er morgen was zu futtern hat, wie er seine nächste Miete bezahlen kann, seine Versicherungen, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, wird dieser Politik wenig Vertrauen entgegenbringen. Und deshalb auch vielleicht irgendwann den Anti-Corona-Maßnahmen den Stinkefinger zeigen.
Die PolitikerInnen haben ein gesichertes Einkommen, eine sichere Rente, ein sicheres zu Hause.
Das sei ihnen gegönnt. Aber eben allen anderen Menschen auch!!!
Statt in die großen Konzerne zu investieren sollten unsere PolitikerInnen allen, die jetzt um ihre Existenz fürchten müssen, erstmal beistehen und ihnen das Gefühl geben, dass wir das nur gemeinsam schaffen werden. Es führt kein Weg an einem menschenwürdigen Grundeinkommen vorbei.
Für alle selbstständigen KünstlerInnen, VeranstalterInnen, Kulturschaffende, TechnikerInnen und Gastronomen – einfach für jede und jeden, die nun diese Maßnahmen auf sich nehmen müssen, um ihre eigene und die Gesundheit anderer nicht zu gefährden.
Nur so kann das eintreten, was in diesen Zeiten wirklich notwendig und einzig hilfreich wäre: dass jede und jeder in eigener Verantwortung seine Freiheit beschränkt.
Längst kämpft die freie und unabhängige Kunst- und Kulturszene ums nackte Überleben. Und warum? Weil der Aufruf vieler PolitikerInnen zur Solidarität leider nicht ernst gemeint war und vor allem nicht für alle gilt. Es darf nicht sein, dass viele zu VerliererInnen dieser Pandemie verurteilt werden, während die anderen weiter Kasse machen können auf Kosten der Verlierer. Ein Beispiel: Während die einen nichts mehr verdienen können, dürfen andere weiter volle Mieten verlangen und Löhne kürzen. Während die einen also Opfer bringen sollen und immer mehr verlieren, können andere weiter Profite machen und noch reicher werden. Das ist zu tiefst ungerecht und spaltet die Menschen weiter in Gewinner und Verlierer.
Wann wird endlich von Immobilien-Investment-Gesellschaften und EigentümerInnen „gesellschaftliche Solidarität“ eingefordert?
Warum müssen die Besitzenden noch immer nicht bis zum Ende der Pandemie auf ihre ohnehin unverschämt teuren Mieten verzichten?
Wir brauchen einen Mietenstopp bzw. ein Moratorium. Das wären sinnvolle Maßnahmen gegen die sozialen Auswirkungen einer einzigartigen Pandemie: Wie viele Kulturprojekte, Veranstaltungsorte, Gastronomiebetriebe, Clubs und KünstlerInnen würden diese Krise überstehen können, wenn sie nicht ihre letzten Reserven Eigentümern für ohnehin schon viel zu hohe Mieten in den Rachen werfen müssten?
Aber den meisten PolitikerInnen will es einfach nicht in den Kopf, welche Relevanz Kultur und Kunst für die Menschen und die Gesellschaften hat.
Kultur ist Nahrung für die Seele, Poesie ist Widerstand! Der Mensch braucht Kunst, weil sie ein Teil seiner Selbst ist, weil sie in ihm sein Innerstes zum Klingen bringt, weil sie in uns das Menschliche weckt und uns erkennen lässt: Wir sind nicht zu trennen. Wir sind eins und zusammen.
Kunst, gar wenn sie noch sperrig ist, nicht dem Zeitgeist in den Arsch kriecht, nicht das gängige Bild der Welt mitträgt, ist nun mal nicht wie ein Arzneimittel patentierbar.
Poesie heilt, ohne dass Bayer dran verdienen kann. Sie macht uns reich, ohne dass sich jemand daran bereichern kann.
Diese globale Pandemie können wir nur dann ohne VerliererInnen und mit Solidarität und Gerechtigkeit gemeinsam meistern, wenn alle gleich behandelt werden – eben auch die Ärmsten und gesellschaftlichen Außenseiter, die seitlich Umgeknickten und Verrückten, die Narren und Poeten, die hilflosen und Verschmähten – allen, einfach allen muss die Möglichkeit geboten werden, zu überleben und nicht aus ihren Wohnungen geschmissen zu werden.
Nehmt das Geld von den Milliardären und den bisher steuerbefreiten Konzernen, sie haben es sich sowieso nicht redlich verdient.
Stoppt die Rüstungsproduktionen und sichert jede einzelne Bürgerin mit einem Grundeinkommen ab.
Dann werde ich auch sicher nicht mit allem einverstanden sein, was die Regierungen und viele PolitikerInnen von sich geben. Aber dann kann ich sie wenigstens ernst nehmen mit ihren Forderungen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich eine Situation ergibt, die einem rechten Umsturz Vorschub leistet.
Ich bin und bleibe ein bekennender Utopist und ich habe mich nie geschämt dafür.
Wir müssen und werden weiter für eine gerechtere, friedliche, herrschaftsfreie Gesellschaft und ein gutes Leben für alle Menschen streiten.

Euer
Konstantin Wecker