Kritische Blicke auf die Coronakrise und ihre Folgen
Kritische Blicke auf die Coronakrise und ihre Folgen

Influenza-Pandemie 1918 und italienischer Faschismus

Gregori GalofréVilà, María GómezLeón, David Stuckler: A Lesson from History? The 1918 Influenza pandemic and the rise of Italian Fascism: A crosscity quantitative and historical text qualitative analysis, in: Working Paper Documentos de Trabajo Nr. 2102 (19.7.2021).

Zielsetzungen: Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen einer Verschlechterung des Gesundheitszustands in der Vergangenheit und der Unterstützung radikaler politischer Ansichten haben zu Bedenken hinsichtlich der Folgen der COVID-19-Pandemie geführt. Die Grippepandemie, die 1918 begann, hatte verheerende Auswirkungen auf die Sterblichkeit. Wir testen die Hypothese, dass die Todesfälle durch die Grippepandemie von 1918 zum Aufstieg des Faschismus in Italien beigetragen haben.

Studienaufbau: Querschnittsstudie zum Vergleich der Stimmabgabe für die faschistische Partei und andere etablierte Parteien in italienischen Städten bei den Parlamentswahlen im April 1924, unter Verwendung von Daten, die Corbetta und Piretti in Staatsarchiven gesammelt haben, und von jährlichen ursachenspezifischen Mortalitätsdaten aus den italienischen historischen statistischen Büchern (Statistica Delle Cause di Morte, herausgegeben vom Ministero per L’Industria, Il Commercio e Il Lavoro).

Methoden: Die Autor*innen verknüpften Regressionsmodelle auf Stadtebene für den Stimmenanteil der Faschisten bei den Wahlen von 1924 mit den Veränderungen bei den Todesfällen durch Influenza im Jahr 1918 in 73 italienischen Städten, wobei die Autor*innen sozioökonomische Faktoren, Stadtmerkmale und regionale Variablen berücksichtigten. Um diese quantitativen Muster besser interpretieren zu können, haben die Autor*innen die Zeitung Il Popolo d’Italia (Mussolinis Zeitung) mit historischen Textmining-Methoden untersucht.

Ergebnisse: 4,1 Millionen Italiener erkrankten an Influenza und etwa 500.000 starben. In Städten mit einer höheren Influenza-Todesrate gewannen die Faschisten mehr Stimmenanteile. Jeder zusätzliche Grippetote pro 1.000 Einwohner war mit einem Anstieg des Stimmenanteils der faschistischen Partei um 3,12 Prozentpunkte im Jahr 1924 verbunden (95 % Konfidenzintervall [KI] = 0,44 bis 5,79). Diese Ergebnisse blieben auch nach Bereinigung um die Opfer des Ersten Weltkriegs und um Indikatoren für soziale Konflikte und wirtschaftliche Not bestehen. Es gab keinen Zusammenhang zwischen der höheren Sterblichkeit und dem Stimmenanteil für die sozialistischen oder kommunistischen Parteien. Die historische Archivanalyse zeigt auch, wie die Faschisten die Pandemie für ihre politischen Zwecke ausnutzten.

Schlussfolgerungen: Die Grippetodesfälle in italienischen Städten waren mit einem höheren Stimmenanteil für die faschistische Partei verbunden. Die Beobachtungen der Autor*innen stimmen mit Belegen aus anderen Zusammenhängen überein, die zeigen, dass eine Verschlechterung der Sterblichkeitsrate radikale Politik fördern kann. Ungleiche Auswirkungen von Pandemien können polarisierende politische Folgen haben

 

Link zur Artikelserie Documentos de Trabajo auf der Seite des Departemento de Economia  an der Universidad Pública de Navarra

Link zum Download des Artikels von der Homepage des Departemento de Economia  an der Universidad Pública de Navarra